Sie zerreiben sich an Erwartungen. An ihren eigenen und an denen des Anderen. Sie tun das maßlos und ohne jede Spur von Rücksichtnahme. Weder sich selbst, noch dem Anderen gegenüber. Und sie lernen nichts daraus, außer dass sie verletzlich sind. Sie beginnen sich zu beschützen, ebenfalls maßlos und ohne jede Rücksicht. Ohne infrage zu stellen, ob überhaupt eine Gefahr besteht. Und ob die Liebe ohne die Gefahr verletzt zu werden, eine Illusion ist. Das alles ist ein in sich geschlossenes System, in dem es einen Anfang und ein Ende gibt. Und eine Wiederholung mit anderen Menschen. Denselben Gefühlen. Denselben Fehlern. Denselben Erwartungen. Bis man schlussendlich für immer stehen bleibt. Dann auch im wahrsten Sinne des Wortes. Weiterlesen
Run
Der Abend fängt schon beschissen an. Einer der Flugbegleiter trägt Vokuhila und hat gezupfte Augenbrauen. Ich schätze ihn auf Ende Zwanzig, etwas jünger als mich. Für die lächerliche Aufmachung, die ihm sein Arbeitgeber aufzwingt, kann er nichts. Das ist mir bewusst. Aber der Vokuhila. Er grinst bei der Aufnahme der Getränkewünsche. Seine Zähne sind gerade und weiß. Ich mache kurz Frieden mit seinem Gesicht, aber dann bleibt seine Oberlippe kurz an seinen Schneidezähnen kleben, weil das Grinsen seinen Mund ausgetrocknet hat. Es dauert viel zu lange, bis er das korrigiert, seine Lippen benetzt und das zerstört alles. Ich bestelle ein Bier und er teilt mir grinsend mit, dass sie heute kein Bier an Bord hätten. Weiterlesen
Inzeption
Endi ließ sich und seine verbeulte Waschmaschine von einem deutschen Reisenden an den Serpentinen kurz vor Thethi, einem kleinen Dorf in der Komuna Shala in den Albanischen Alpen, per Anhalter mitnehmen. Der Deutsche war viel zu schnell auf den steinigen, unbefestigten Pfaden gefahren, sodass er voll auf die Bremse gehen musste. Während der Jeep über die scharfkantigen Steine schlidderte, platzte der rechte Hinterreifen mit einem lauten Knall, der eine längst vergessene und zutiefst absurde Geschichte erstmalig in die Gegenwart zurückkatapultierte. So hatten sie sich also kennen gelernt. Endi brachte seine Fähigkeiten im Reifenwechseln ein, was angesichts der albanischen Straßen – sofern man die Trampelpfade in diesem Teil des Landes überhaupt als Straßen bezeichnen konnte – ein notwendiges Handwerk war, das die meisten seiner Landsleute aus dieser Gegend aus dem Effeff beherrschten. Im Gegenzug wuchteten sie zu zweit die Waschmaschine auf das verrostete Dach des Jeeps und befestigten diese mit ein paar öligen Seilen, welche lose im Kofferraum unter dem Reiserucksack des Deutschen und einem Benzinkanister herumlagen. Weiterlesen
Lost
In der Nacht zum Valentinstag im Februar 1945 fielen Feuerengel vom Himmel über Dresden. Mein Großvater war elf Jahre alt und hatte sich nach der ersten Bomberwelle mit seinen Brüdern und anderen Kindern bei einem Nachbarn im Keller versteckt. Als sie zum Großen Garten aufbrachen, flutete die zweite Bomberwelle über sie hinweg. Der Nachbarsmann scheuchte die Kinder zu einer Gruppe zusammen und sagte ihnen, dass sie singen und den Knallkörpern ausweichen sollen.
»Und bleibt hinter mir; und geht nicht zu nah an die Häuserwände; und passt auf das Feuer auf; und verbrennt euch nicht; und atmet nicht zu tief ein.«
Es tanzte ein knappes Dutzend Kinder durch die Straßen, singend, durcheinander singend. Allesamt hintereinander weg, ein heißes Spiel spielend. Mein Opa erinnerte sich daran, dass einer seiner Brüder seinen Schuh verlor und der Boden glühend heiß war, als würde man zur Mittagszeit durch die Wüste gehen. Er hat die kochenden Nächte überlebt und sagte mal zu mir:
»Ich war damals alt genug, zu verstehen, dass Angst zu haben völlig in Ordnung ist, aber dass sie nicht das Ende bedeutet, wenn man versucht sich Mühe zu geben. Bei den richtigen Menschen musst du nicht tapfer sein.«
Darüber hat er gelacht und ich verstand es nicht.
Hedonism
Planet Hedonismus: Du willst, dass dein Bildschirmrhythmus groovt und alles besser ist, wenn du nur an die Hingabe glaubst. Hedonismus ist. Toll. Niemand kann sich der Macht entziehen. Vergessen wir das Gehen nach vorne. Vergessen wir das Aufrechtstehen. Knien ist geiler. Liegen ist gemütlicher. Im Liegen kommt man einfach besser. Voran. All die Schreie, wenn sich Fingernägel in fremde Haut krallen. All das Lachen ohne Sinn. All das Träumen, woanders zu sein, wenn man lacht. All die Schreie. All die Hilfeschreie. Hedonismus ist der Hilfeschrei meiner Generation. Am Ende folgt kein Untergang. Am Ende hat man nur was verpasst, während man sich Mühe gab nichts zu verpassen. Romantik sah in der Beta-Version auch hübscher aus. Beschweren wir uns nicht. Lassen wir unsere Visitenkarte da. Lassen wir Schreie ungehört. Lassen wir es einfach und lassen wir uns einfach. Irgendwann wachen wir schon auf. Und dann starten wir einen zweiten kollektiven Versuch das Glück zu finden, das wir lange Zeit vor uns hatten und nie zu schätzen gewusst haben.
Skip to the End: Unerwiderte Gefühle zu haben oder Liebeskummer zieht immer eine Rechnung nach sich. Wenn man dann pleite ist oder nicht bereit ist zu zahlen, kommen harte Zeiten auf einen zu. Ich bin noch nie jemandem begegnet, der diese Rechnung bezahlen konnte und das zeigt mir, dass in jedem Kopf die Gefühle über den Konsequenzen stehen. Selbst wenn diese abzusehen sind.
Und auch wenn es einem so richtig die Suppe versalzt: Es war doch so ziemlich das Beste was man wagen konnte. Liebeskummer zu provozieren und auf unerwiderte Gefühle zu stoßen. Denn es bedeutet, dass man versucht hat, etwas zu geben, statt zu nehmen. Sowas rettet die Welt.