Irrwege

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Auf dem Kleiderbasar in Herāt sprach Kaja einen Niederländer an, der uns für eintausend fünfhundert Dollar mit seinem 720er Datsun nach Kabul fahren sollte. Er sagte, dass sei ein schnapper, nicht nur für die Länge der Strecke, sondern vor allem für die Regionen, die wir durchqueren mussten.
Nachdem sich der etwas untersetzte Niederländer von uns überreden ließ, anstelle des Highways Richtung Süden, die direkte Route mitten durch das Land zu nehmen, schob er seine verspiegelte Sonnenbrille mit dem Mittelfinger ein Stück auf dem Nasenrücken nach oben und blickte sich suchend um. Er winkte eine alten Paschtunen zu uns, mit dem er sich kurz auf Darī unterhielt. Der alte Mann nickte gelegentlich und kratzte sich dabei an seinen buschigen, graumelierten Augenbrauen, die in der Mitte zu einer Monobraue zusammengewachsen waren.
Mir kam das alles nicht geheuer vor, wie dieser Niederländer auf den Paschtunen einredete, wild gestikulierend auf uns zeigte und sich in den Sprechpausen immer wieder die Haare aus seinem verschwitzten Gesicht wischte, so absolut cosmopolitan.
Es war entsetzlich heiß. Ich hatte Durst und Kaja meinte, sie könne ihr Mojo spüren. Weiterlesen

Das 75-Prozent-Gefühl

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Meine Schwester starb in der Nacht zum 3. April 2012. Mein Telefon klingelte zwei Tage später um 9:17 Uhr. Ich hatte mich im Büro gerade an meinen Schreibtisch gesetzt und »Scheiße« gesagt. Dass irgendwas passierte sein musste, fühlte ich schon. Irgendetwas nicht Sichtbares schwang mit dem Klingeln mit, etwas endgültig Verändertes. Als hätte man einen Stuhl verrückt, ein Kandinsky-Gemälde verkehrt herum aufgehängt oder ein paar Moleküle im Raum heimlich ausgetauscht. Weiterlesen

Idioten

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Nach der Zerstörung des Universums war die Stimmung seltsam ausgelassen. Alle Beteiligten legten ihre Erinnerungen zusammen und formten den Letzten Raum. Ein warmer stickiger Ort mit hohen Wänden, einem Badminton-Platz und dem Mond als übriggebliebene Schnittmenge. Im Licht begann jemand zu applaudieren und alle stimmten ein. Das war das letzte gemeinsame Statement bevor wir uns hinter einer wabernden Sound-Kulisse in der ewigen Ruhe niederließen. Weiterlesen

Die weiße Stadt

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Ein paar Tage später wurde er von einem guten Freund auf dem kleinen Rasenstück im Innenhof seines Blocks gefunden. Ohne Hose lag er mit dem Gesicht nach unten in seinem Erbrochenen. Es hatte geregnet. Der Notarzt sagte, es sei Dehydrierung. Wenig später saß er dann am Flughafen Tegel, wartend auf den Check-In und kaute auf einem Gurke-Quark-Brötchen herum. Der Flieger nach Belgrad hatte eine knappe Stunde Verspätung. Weiterlesen

Schmu & Dün

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Von Erklärungen geträumt. Keine Antworten bekommen. Lost Road. Vielleicht etwas Sonnenlicht dazwischen bringen. Den Schildern folgen. Wortlos. Traurigkeit hinter sich lassen. Schwierige Gedanken subtrahieren. Einfache Rechnungen jetzt. Jemand, der es weiß, sagt: »Dit Leben is eigntlich janz schön, wirste sehn

Ich verstehe Formeln, tanze alleine nach Augenmaß. Zwischendurch sanfte Worte. Jemand, der es weiß, sagt: »Du bist ein verwirrter, trauriger, junger Mann. Komm mal her

Ich erschaffe Räume, in denen ich suche. Vom Finden hat niemand gesprochen.

Tastende, tanzende Moleküle. Etwas, das bleibt und festgehalten wird.