Gekreiselt sein

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Drehe dich im Kreis so schnell du kannst. Hoffe darauf, dass du deinen Radius findest. Nur kurz. Zum Anfassen. Zum Fühlen, ob er noch da ist. Ob es ihn gibt. Ob es einen Unterschied macht, sich in der Drehung zu verlieren oder ständig die Entfernungen zu zählen, die an einem jeden Tag vorbeirauschen. Die Streuverluste, die vielen Finger, die in soviele Richtungen zeigen, die Versuchungen und der Gedankenkreisel, der sich brav der Physik knechtet. Drehe dich so schnell im Kreis bis dir nur noch nach Kotzen ist. Und dann halt dich fest. Nur kurz. Zum Anfassen. Zum Fühlen. Dass das alles richtig so ist. Ohne es zu wissen. Unter dem Mantel der Monotonie sitzen wir und lecken unsere klebrig süßen Zeigefinger. Sie sind richtungsweisend.

The Last Summer (Empor 3)

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»Es muss ein Morgen im Sommer gewesen sein, denn es war ungewöhnlich warm. Die Sonne stand noch sehr tief. Die Luft roch sommerlich. Ja, dieser Sommergeruch, der sich nicht wirklich beschreiben lässt, weißt du? Du hast mir selbst mal davon erzählt, da war ich so neun oder zehn Jahre alt, und du warst zwölf oder dreizehn. Du hattest damals dein erstes Jahr auf der Oberschule hinter dir. Keiner konnte dich ausstehen, weil du gemein warst und mit deiner Zahnspange wirklich hässlich aussahst.« Weiterlesen

Keine Angst

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Die Angst vor dem Finden ist ein unübersehbar großer Fleischberg mit Muskeln, hässlichen Tattoos, Goldkettchen und einem Träger Heineken im Blutkreislauf. Läuft grölend und pöbelnd durch die Kante, haut hier und da mal die Faust gegen ein Gesicht, schubst was um, tritt gegen Dinge und atmet fertig. Guckst du ihn an, hast du Probleme. Deshalb schnell Straßenseite wechseln, umdrehen oder Laufrichtung neu berechnen. Finden heißt in glühend heißen Ohren Ankommen. Weiterlesen

Go

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Diese Nacht wirkt frostig und herrschsüchtig. Ich liege an der Fähren-Anlegestelle bei Holwerd auf warmen niederländischem Asphalt und warte auf die Ankunft von Sophie, die mit ihrem Auto von Ameland übersetzen will. Letzte Nacht meinte mein guter Freund, ich solle es doch einfach tun. Er war sichtlich bemüht, mir zu erklären, dass ich es generell einfach nur tun sollte, egal was. Ein klares Gesetz, allgemeingültig. Keine Kenntnisse von seinen Vorstellungen zu haben, führt manchmal einfach dazu, eierlos alles unreflektiert liegen zu lassen. Ich hatte nie eigene Gesetze, die ich so verkünden konnte. Weiterlesen

Erklärungsnot

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Mit größter Mühe erträgt er die Liebe, die sich aus der Nachbarswohnung in seine vier Wände kämpft und dort mächtig gewaltig seine Bilder und Vorstellungen von Glück und Zufriedenheit radikal ins Reziproke stellt, Wände einfärbt, fest deckend, wie gesetzlose Kaligraphie eines Zustandes, den er in all den Jahren des Erreichens völlig vergessen hat, weil er dachte, das kommt schon irgendwann. Und dann ist es zu spät und das einzige, das ihm geblieben ist, ist die Polizei zu rufen, um die lautstarke Liebe nebenan unterbinden zu lassen.

Er denkt, er habe nach dem ganzen Schaffen auch mal Ruhe verdient, während all das Verpasste, all die ungelebte Nähe auf leisen Sohlen in seine Wohnung geschlichen kommt und unmerkbar leise um ihn herum kreist. Mit einem Sicherheitsabstand, den er nun bis an sein graues Lebensende alleine ertragen muss. Für die Liebe ist es egal, ob jemand lange genug gewartet und ignoriert hat. Mit jedem Augenblick des Abgewiesenwerdens nahm sie sich einmal mehr den Vorsatz ihn nicht mehr zu begünstigen. Und dann war sie konsequent.

Und jetzt darbt er vor sich hin, nach dem Feierabend, nach dem ehrgeizigen Schaffen und greift alle paar Tage zum Hörer um die Liebe nebenan unterbinden zu lassen.

So schnell ist das Leben verwirkt.